Viele Herausforderungen in der Wetterau

RBV diskutiert mit Staatssekretär Ruhl

Über die Neuausrichtung der hessischen Agrarpolitik, über Schlachtstätten, Rote Gebiete, Natur- und Vogelschutz sowie Bürokratieabbau haben vergangene Woche in Ilbenstadt Mitglieder des Regionalbauernverbandes (RBV) Wetterau/Frankfurt mit Staatssekretär Michael Ruhl (CDU) aus dem hessischen Landwirtschaftsministerium diskutiert. Ruhl hatte zuvor die Herangehensweise seines Hauses skizziert, nämlich den Dialog zu suchen und auf Kooperation zu setzen. Auf der anschließenden Mitgliederversammlung wurden unter anderem die Bauernproteste, bei denen der RBV sehr stark engagiert war, bewertet und diskutiert. Mit der Schlepperdemo am Frankfurter Flughafen hatte der RBV in Zusammenarbeit mit LsV ein bundesweites Medienecho erzielt.

Staatssekretär Michael Ruhl erläutert die neue Politik der Landesregierung und diskutiert mit den Landwirten. Links im Bild RBV-Vorsitzende Andrea Rahn-Farr, daneben der stellvetretende Vorsitzende Michael Schneller. Im Hintergrund RBV-Geschäftsführer Markus Schepp mit RBV-Mitarbeiterin Anke Krüger.

Foto: Mohr

Ruhl, der in den vergangenen Wochen auf einer Reihe von Mitgliederversammlungen der Bauernverbände und anderer Organisationen die Politik der Landesregierung erläuterte (das LW berichtete), unterstrich den Dialogansatz seines Hauses.

Neuausrichtung der Politik

Der Staatssekretär war zuvor fünf Jahre Abgeordneter im Landtag und Mitglied des Umwelt- und Landwirtschaftsausschusses. Er machte deutlich, dass es „nicht immer einfach war“ mit dem grünen Koalitionspartner, der das Agrarressort führte. Jetzt gehe es um eine Neuausrichtung, betonte Ruhl. Er berichtete, dass sich durch den Regierungswechsel in Hessen auch die Mehrheiten in der Agrarministerkonferenz geändert haben und es eine Zusammenarbeit mit den SPD-geführten (A-Ländern) und sogar mit dem Linken-geführten thüringischen Ministerium gebe. In der AMK gebe es einen Stimmungsumschwung, aber auch eine gewisse Lagerbildung mit den fünf G-Ländern (Ländern mit grüner Regierung beziehungsweise grünen Agrarressorts) auf der anderen Seite. Er berichtete außerdem über die Themen Bürokratieabbau, bei denen die Bundesländer rund 200 Vorschläge gemacht und dem Bund vorgelegt hätten, die Einrichtung eines hessischen Landwirtschaftsgesetztes, das „Entschlacken“ des Hessischen Naturschutzgesetzes und die Anpassung des Gesetzes Grünes Band unter Einbeziehung der Betroffenen („die Flächeneigentümer wurden nicht ordentlich mitgenommen“). Weitere Punkte waren die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht und die Aussetzung der Flächenstilllegung nach GLÖZ 8.

Ruhl bewertete die Bauernproteste als positiv, auch wenn das Ziel Erhalt Agrardiesel nicht erreicht wurde. Sie hätten zu einem viel positiveren Bild der Landwirtschaft in der Bevölkerung geführt. Mit dem Notfallpaket, das Hessen auflegt, solle ein gewisser Ausgleich geschaffen werden. Ruhl nannte hier ein Volumen von 10 Mio. Euro. Es setzt sich zusammen aus 3 Mio. zusätzlich für die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, 4 Mio. für die Gemeinschaftsaufgabe und 3 Mio. für das Programm Hessische Ackerkulturen (siehe Seite 50).

Diskussion um Erhalt von Schlachtstätten

Breiten Raum des Austausches mit den Landwirten nahm die Initiative des Landes zum Erhalt von Schlachtstätten ein. Ruhl erläuterte, dass aus Sicht der Landesregierung die Grenzen für Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz BImSch hochgesetzt werden sollten, um kleinere Betriebe zu entlasten. Viele Landwirte sehen für Schlachtstätten unterdessen schon die Uhr auf fünf nach zwölf stehen. Problem seien nicht unbedingt nur Auflagen, sondern auch die Kontrollen, die nicht mehr sachgerecht seien. Beanstandet würden zum Teil irrelevante Mängel. Die kontrollierenden Veterinäre hätten nur noch wenig Praxisbezug. Ein Dringen auf sachgerechte Kontrollen sei wegen der Kommunalisierung und der Ansiedlung der Veterinärbehörden bei den Kreisen schwierig. Das in der Ressortabstimmung auf Bundesebene befindliche Tierschutzgesetz könnte sogar zusätzliche Verschärfungen für Schlachtstätten bringen, wurde berichtet, zum Beispiel wegen geplanter umfangreicherer Kameraüberwachung und Präsenz von Tierärzten. Aufgrund der Schließung hessischer Schlachtstätten müssten Direktvermarkter in Südhessen Betriebe außerhalb Hessens anfahren. So sei eine Vermarktung unter dem Siegel der Regionalität kaum möglich, so ein Landwirt.

Land will zeitnah mehr Messstellen einrichten

Breit diskutiert wurden auch die Roten Gebiete. Ruhl erläuterte, dass das Land die Kommunen mit der Bitte angeschrieben habe, geeignete Brunnen aus ihren Gemarkungen zu nennen. Damit solle zeitnah die Zahl der Messstellen erhöht werden. Dies wurde positiv zur Kenntnis genommen. Vorsitzende Rahn-Farr sagte, dass in Baden-Württemberg aufgrund der Binnendifferenzierung und der großen Zahl an Messstellen der Anteil der Roten Gebiet an der landwirtschaftlichen Nutzfläche bei nur 6 Prozent liege, in Hessen aufgrund weniger Messstellen und großer Grundwasserkörper dagegen bei 20 Prozent. Ein Landwirt kritisierte die Vorgabe, den ermittelten N-Bedarf der Kultur in Roten Gebieten um 20 Prozent zu reduzieren. Weizen habe vielfach nicht mehr Backqualität und werde vom Handel nur als Futterweizen akzeptiert.

Regulierung von Biber und Wasservögeln nötig

Auch der Biber war Thema. Man werde über eine Bestandsregulierung sprechen müssen, sagte Ruhl. Über eine bereits von der Vorgängerregierung angekündigte Billigkeitsregelung für Entschädigungen, konnte der Staatssekretär noch keine Auskunft geben. Ein großes und weiter wachsendes Problem sind Vögel wie Kanadagänse, Nilgänse und Schwäne, die unter anderem durch die Wetterauer Seenplatte angelockt werden, lange Zeit auf den umliegenden Feldern verweilen oder ganz da bleiben und an den landwirtschaftlichen Kulturen, auch an Zuckerrüben, große Schäden anrichten. Hier sei dringend eine Bestandsregulierung (nicht nur Bejagung, auch Gelege-Entnahme) notwendig, machten die Landwirte klar.

Mitglieder diskutieren Bauernproteste

In der anschließenden Mitgliederversammlung wurden die Bauernproteste um den Jahreswechsel und die Ergebnisse erörtert. Der RBV war sehr stark engagiert mit der Teilnahme an den Demos in Berlin, Wiesbaden, dem „Schlepper-Leuchten“ an den Autobahnen, mit Sternfahrten und schließlich mit der Demo am Frankfurter Flughafen. Allerdings habe man das Ziel, den Erhalt der Agrardieselrückerstattung nicht erreicht. Gleichwohl habe man viel Verständnis in der Bevölkerung erreicht, stellte Rahn-Farr heraus. „Das ist schon ein Erfolg.“ Hinzu komme der Beibehalt des grünen Kennzeichens, der Beibehalt der Versicherungsfreiheit für selbstfahrende Maschinen und das vorläufige Aus für die EU-Richtlinie zur Pflanzenschutzmittelreduktion (SUR) auf europäischer Ebene.

Einige Teilnehmer vertraten die Meinung, dass man die Proteste hätte weiterführen müssen, um die Verhandlungen zu begleiten. Vorsitzende Rahn-Farr betonte in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit, die Unterstützung der Bevölkerung zu behalten. Konsens war es, aktiv im Europawahlkampf Präsenz zu zeigen. Einige Landwirte äußerten den Wunsch, über eine Wiederaufnahme der Proteste nach den Erfahrungen im Europawahlkampf und der Europawahl nochmals nachzudenken.

Flächenverbrauch und Rückgang der Tierhaltung

In ihrem Vorstandsbericht beklagte Rahn-Farr den starken Flächenverbrauch durch Baumaßnahmen und die aktuell hinzukommenden Energieleitungstrassen. Der Rhein-Main-Link mit der Erdverkabelung betrifft den nördlichen Wetteraukreis um Butzbach. Die Trassen führen laut Planung vor allem durch landwirtschaftliche Flächen, weil Wald und Naturschutzgebiete nach Möglichkeit vermieden werden sollen.

Rahn-Farr thematisierte auch die geringe Verfügbarkeit von Arbeitskräften in der wirtschaftlich starken Rhein-Main Region. Besonders beklagenswert ist nach der Vorsitzenden die stark zurückgegangene Tierhaltung in der Wetterau, die mittlerweile auf 0,3 Großvieheinheiten pro Hektar zurückgegangen sei. Die ziehe auch einen Verlust an Infrastruktur mit sich. Bei Bau von Photovoltaikanlangen sei der Standpunkt unverändert, dass sie zunächst auf Dächern und nicht auf Ackerflächen gebaut werden sollen.

Rahn-Farr wies auf die Landesgartenschau 2027 hin, bei der sich erstmals elf Kommunen in der östlichen Wetterau und Teilen des Vogelsbergs zur Landesgartenschau Oberhessen zusammengeschlossen haben. Der RBV wird sich beteiligen und einen Wetterau-Acker in Echzell anlegen.

RBV-Geschäftsführer Markus Schepp trug den Geschäftsbericht vor mit zahlreichen Veranstaltungen. Die Jahresrechnung wies ein kleines Defizit auf. Wie Schepp berichtete, hat der RBV 1 035 Mitglieder, davon 431 Altenteiler. Die Mitgliedsfläche beträgt 30 860 Hektar.

Vorstand und Geschäftsführung wurden einstimmig entlastet. Stefan Cornell wurde in den Vorstand wiedergewählt. Für Frank Edelbauer, der nicht mehr antrat, wählten die Mitglieder Johannes Grenzebach aus Wölfersheim neu in den Vorstand.

CM – LW 18/2024